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Limone auf Reisen

Verfasst: Mi 2. Aug 2017, 21:09
von Vladan
Es ist Dienstag Vormttag, ich bin zwar schon um 7 Uhr aufgestanden, doch gepackt ist noch nichts. Nach dem dritten Kaffee muss ich nun endlich die Packtaschen aus dem Keller holen, schnell alles für eine Woche Reise vorbereiten.
11:00 Uhr ist es soweit.
Die Limone ist bepackt, der Tankrucksack aufgeschnallt.
Die Temperaturanzeige sagt mir herrliche 20° an, also beste Voraussetzungen sind gegeben.

Schnell geht es stadtauswärts, auf die Autobahn Richtung Süden.
Regen setzt ein. Alles ist in Ordnung, meine neuen Regenklamotten hab ich dabei, warte auf den nächsten Parkplatz, um die Pelle über zu ziehen. Der Parkplatz, der nicht kommt! Also schnell auf dem Standstreifen angehalten, es regnet in Strömen, die Klamotten übergezogen und weiter geht es. Starkregen! Und doch sehe ich bereits am Horizont den hellen Streifen, es kann nicht allzu lange dauern.
Mit 90 Km/h schleiche ich über die Autobahn, es ist unmöglich schneller zu fahren. Die Straße schwimmt, die Limone behält die Spur. Kurzzeitig glimmt das Lämpchen für die Batterie im Blinkertakt. Die Batterie ist neu, der Regler ebenfalls.
Ich hab keine Ahnung, was das zu bedeuten hat, fahre aber weiter.
Vorbei an Dresden, ich sollte tanken, denk mir aber, ich nehm die nächste Raststätte….und warte…warte vergebens. Auf der Autobahn Richtung Tschechien kommt keine Möglichkeit mehr, den Sprit aufzufüllen.


Erst hinter der Grenze ist es soweit, eine Raststätte wartet auf mich. Meine Gedanken schwirren um das Batterielämpchen; wird die Limone etwa zicken? Was ist, wenn sie nach dem Tanken nicht mehr anspringt?
Meine Bedenken sind grundlos. Als ob nichts gewesen wäre, greift der Anlasser, sie schüttelt sich, springt an, weiter geht’s Richtung Prag. Die Stadtautobahn ist gut ausgebaut, die Beschilderung verständlich.
Richtung Brünn ist die Autobahn stellenweise sehr schlecht, viele Schlaglöcher und Spurrillen, ich muss aufpassen.
Hinter mir ist blauer Himmel, links und rechts der Autobahn ebenfalls. Nur direkt vor mir bäumt sich eine riesige, schwarze Wolke.
Ich frage mich, wie das sein kann.
Da muss sich jemand mal richtig viel Mühe gegeben haben, diese Wolke genau hier und jetzt so zu positionieren, dass ich drunter durch muss. Die Wolke zieht von Westen heran, kommt immer näher. Ich bin schlauer, denk ich und halte einfach an und warte. Eine Raststätte an der viele Busse stehen, Touristen steigen aus. Zwei ältere Herrn, Inder, die sich Europa via Busreise anschauen, kommen direkt auf mich zu, beide Hände vor dem Gesicht. Zwischen den Fingern jeweils ein Smartphone.
Sie fragen mich freundlich, ob sie die Limone fotografieren dürfen. Ich nicke und genieße die Situation. Mehrere Minuten vergehen, die beiden freuen sich undendlich und bedanken sich bei mir mit dem Daumen nach oben.
Weiter geht’s. Die dicke Wolke ist noch nicht ganz vorüber gezogen, ich muss da jetzt durch. Wieder im Kriechtempo, wieder Licht am Horizont, 15 Minuten später wieder trockene Straße und 25°.

Vorbei an Brünn zeigen die Schilder schon, dass die nächste Grenze naht. Die Slowakei ist nicht weit, es gibt keine Kontrollen, wir sind ja glücklicherweise in Europa.

Der nächste Tankstopp steht an. Es ist sehr warm, das Thermometer steigt stetig. Mit jedem Kilometer Richtung Süden wird es wärmer.
Tanken, etwas trinken. Das Handy blinkt, es hat jemand von zuhause angerufen.
Ich rufe zurück, das Gespräch entwickelt sich furchtbar, dessen Verlauf so unnötig wie ein Kropf im Desaster endet.
Ärger schüttet sich über mir aus, doch ich muss weiter; gräme mich, kann mich kaum auf die Straße konzentrieren.

Die Limone passiert die Grenze, wir sind in der Slowakei angekommen. Es ist früher Abend und warm, sehr warm, fast 30°.
Gedankenversunken sehe ich Schilder: Vignette hier zu kaufen!...fahre ahnungslos daran vorbei, schüttle den Kopf.
Ähm, Vignette? Mist ich fahre auf der Autobahn und hab vergessen, vollkommen ignoriert, dass in der Slowakei Vignettenpflicht besteht. An der nächsten Möglichkeit halte ich an, will eine Vignette kaufen. Die nette, ältere Dame sieht mich an, lächelt und gibt mir zu verstehen, dass in der Slowakei für Motorradfahrer keine Vignettenpflicht besteht.
Fein, nochmal Glück gehabt. Schnell die Limone angeworfen, weiter auf die Autobahn.

Mein Blick geht auf die Instrumente. Das Lämpchen für die Batterie ist ruhig. Genau so wie der Drehzahlmesser, der eben in dieser Sekunde ausgefallen ist. Nur wenige Augenblicke später ruckelt die Limone zwei, drei mal…der Motor stirbt ab.
Mit gezogener Kupplung rolle ich auf dem Standstreifen, wenige hundert Meter kommt eine Ausfahrt.
Kurz vor der Ausfahrt versuche ich zu starten….und die Limone kommt nocheinmal, springt an. Ein Kilometer noch bis zur nächsten Raststätte, bis zum halbwegs sicheren Hafen. Die Limone bringt uns beide dort hin. Ich stelle sie ab und weiß nun nicht, was das zu bedeuten hat.

Vor einigen Wochen hat der OT-Sensor auf dem Rückweg von Mandello den Geist aufgegeben, wurde getauscht. Der kann es kaum sein. Oder vielleicht doch? Ich weiß es nicht.
Es ist drückend warm. Nun sitz ich da, eine Cola in der Hand, beobachte die Limone und bin vollkommen ratlos. Was kann ich jetzt ausrichten? Einfach weiter fahren, so tun, als ob nichts gewesen wäre? Irgend wo mitten im Nichts an der Straße stehen und warten, dass ein Wunder geschieht? Nein!
Der Beschluß, den ADAC anzurufen ist gefasst und geht auch problemlos.
Rückruf vom ADAC: „wo sind Sie?“
Meine Antwort: „na, an der Raststätte XY, 40 Kilometer vor Bratislava“
Der Herr vom ADAC tut sich schwer, findet diese Raststätte nicht. Eine Viertelstunde dauert es, bis er endlich „ah, jetzt, ich glaube ich habe es gefunden“ sagt.
Prima!
Die Zeit vergeht, hab mittlerweile meine Klamotten vom Leib gerissen, die Hitze ist brutal. Und da ich ja weiß, dass die Limone heute nicht mehr bewegt wird, hole ich mir beim Tankwart an der Kasse ein kühles –Pilsner Urquell-
Er lächelt mich an, sagt, es sei eine gute Entscheidung, …wir kommen ins Gespräch. Zuerst auf deutsch, dann auf serbisch. Ich erkläre ihm meine Situation und er zeigt Verständnis, wenngleich er mir nicht helfen kann.
Kurze Zeit darauf klingelt mein Handy. Die gelben Engel aus der Slowakei melden sich. Wir sprechen englisch….es funktioniert ganz gut. Er will wissen, wo ich genau bin. Ich erkläre es ihm…er versteht mich nicht! Also renne ich mit dem Handy zum Tankwart, drücke es ihm in die Hand und gebe zu verstehen, dass er den Rest erledigen soll.
Was er auch sehr freundlich und ohne mit der Wimper zu zucken macht.
Der slowakische gelbe Engel wird in ca. 45 Minuten bei uns sein, so der nette Tankwart….er gibt mir mein Handy zurück und gibt zu verstehen, dass wir uns nur draussen auf die Terrasse setzen können. Er macht Pause.

Wir sitzen, unterhalten uns prächtig, halb auf deutsch, halb serbisch.
Er erzählt mir seine Lebensgeschichte, erzählt, dass er während des Jugoslawien-Krieges bei der KFOR in Bosnien eingesetzt wurde, dort das 10-fache verdient hat, als wäre er bei der Slowakischen Armee gewesen. Er erzählt Geschichten vom Krieg. Dass er einen kanadischen Scharfschützen kennen gelernt hat, der aus 2.4 Kilometer Entfernung einen Feind mit dem Gewehr nieder gestreckt hat. Rekord! Das hat bisher wohl noch niemeand geschafft.
Die Zeit vergeht, er muss wieder arbeiten.

Mein Bier ist fast leer als ich einen gelben Abschleppwagen anrollen sehe. Ich dreh mich zum Gelben Engel, winke ihm zu und sehe, dass der Tankwart bereits draussen steht und dem Abschlepper zuwinkt.
Ein junges Kerlchen steigt aus, begrüsst mich freundlich, umarmt den Tankwart. Die beiden kennen sich. Der Tankwart gibt mir zu verstehen, dass die beiden schon lange Freunde sind, das junge Kerlchen ebenfalls Motorradfahrer ist und ich in guten Händen bin.
Nun geht es schnell.
Die Rampe des Abschleppers wird herunter gelassen, steht mächtig schräg. Der junge Mann sagt mir auf deutsch: „da muss die Limone hoch“
Okay, für mich kein Problem, denke ich. Die Limone springt sofort an, ich rolle langsam die Rampe hinauf bis zum Anschlag…ganz oben. Ziehe die Vorderradbremse.
Die Limone will nicht oben bleiben, rutscht über das Vorderrad wieder nach hinten. Ich hab keine Chance, sie zum Stehen zu bringen, geb sie aber auch nicht aus der Hand. Sie rutscht, schlingert, windet sich rückwärts als wolle sie mir sagen: „hey, ich will da nicht hoch“ …bis wir wieder ganz unten stehen.
Der junge Kerl staunt nicht schlecht. Ich schaue dir Rampe genauer an, es ist blankes, sehr glattes Aluminium.
Also, das Ganze noch mal von vorn. Diesmal stehe ich ganz hinten, so, dass das Hinterrad gerade auf der Rampe ist.
Er bringt die Rampe in die Waagrechte und ich kann die Limone nach vorne fahren, wo sie fest gezurrt wird.

Der junge Mann gibt mir zu verstehen, dass er mich jetzt in das nächste Hotel fährt, dort absetzt und morgen früh um 9 Uhr wieder abholt, wir dann gemeinsam zur Werkstatt fahren.
Das Hotel ist eine Raststätte direkt an der Autobahn, ca. 20 Kilometer enternt.
Mittlerweile ist es kurz vor 22 Uhr. Die Küche schließt gleich. Der Kellner gibt zu verstehen:
„es gibt nix mehr!“
Mein Fahrer schaut ihn an, sagt ihm: „ich hab auch noch Hunger“…uns so bekommen wir gemeinsam unser wohlverdientes Abendessen.
Das Hotelzimmer ist winzig klein. Im Inneren des Zimmers herrschen weit über 30°.
Eine kurze Dusche und ich falle müde ins viel zu kleine Holzbett.

Re: Limone auf Reisen

Verfasst: Mi 2. Aug 2017, 21:11
von Vladan
Mittwoch

Die Sonne scheint, es ist Sommer, ein Sommer in der Slowakei, den wir so bei uns nicht kennen. Das Frühstücksbuffet ist spärlich garniert. Der Kellner naht, fragt mich, was ich zum Frühstück wünsche, ich entscheide mich für das Spiegelei.
Na, toll. Der Kellner kommt mit einem Riesenteller, eine Spiegelei-Garnitur aus 4 Eiern, Käse, Wurst und vieles mehr, das mich vollkommen überfordert. Das wird reichen bis zum Abendessen.
Kurz darauf werde ich von hinten angeschubst. Mein Gelber Engel ist auch schon da, wir können Richtung Bratislava fahren. Die Limone steht verschämt hinten auf der Rampe. Ich steige ein, wir kommen ins Gespräch. Ich frag ihn nach seiner Motorrad Vergangenheit. Er lächelt und sagt, dass er schon lange kein Motorrad mehr fähr. Nach zwei schweren Unfällen hat er es bleiben lassen. Ich bohre ein wenig…Unfälle?
Ja, sagt er, …..10 Jahre Superbikes sei er auf der Rennstrecke gefahren, dabei viel Erfolg gehabt. Aber, nach den 2 Unfällen sei es dann auch gut gewesen.
Stolz erzählt er mir, dass er Valentino Rossi kennen gelernt hat, dieser sogar Gast bei ihm zuhause gewesen sei und sein Haus persönlich signiert hat.
Ich glaube es ihm. Er ist ein vertrauenswürdiger, lieber Kerl. Wir verstehen und prächtig, ich zeige ihm meine Bilder von der Rennstrecke, erzähle…die Zeit vergeht wie im Fluge, wir erreichen Bratislava. Eine Stadt mit 600.000 Einwohnern, hier sollte es doch eine Möglichkeit geben, die Limone wieder in Schwung zu bringen, nach dem Rechten zu sehen. Vielleicht ist ja auch nur irgendwo ein Kabel locker? Ich weiß es nicht.

Bald schon erreichen wir ein Riesengelände, das noch aus sozialistischen Zeiten stammt. Betonplatten pflastern die Straße, die Limone wird hinten auf dem LKW mächtig durchgeschüttelt, wankt von einer Seite zur Anderen.
Wir biegen um ein altes, verkommenes Gebäude herum und schon sehe ich eine Stelvio stehen. Aha, hier scheinen wir richtig zu sein. Meine Freude ist unbeschreiblich, ich steige aus dem LKW, der junge Fahrer geht gleich zum Chef, erklärt ihm unsere Situation.
Der Chef gönnt der Limone einen flüchtigen Blick, schüttelt den Kopf: „keine Zeit, ich bin ausgebucht“!
Zu zweit reden wir auf den Herrn ein, ich gebe zu Verstehen, dass es vielleicht wirklich nur eine Kleinigkeit ist, ich auch mit –seinem Werkzeig- danach schauen würde.
Er lässt mich stehen. Eine neuere Triuph Bonneville hält direkt neben dem Eingang, der Fahrer begrüßt den Chef freundlich. Der Chef fragt ihn, wie er ihm helfen kann, nimmt Werkzeug zur Hand.

Ratlos schaut mein Fahrer mich an, zuckt die Achseln. Sein mitleidvoller Blick geht in meine Richtung.
Okay, sagt er, wir haben noch eine Alternative, etwas weiter draussen in der Stadt.
Also, einsteigen und weiter geht es.
Eine halbe Stunde später erreichen wir ein großes, modernes, rundum verglastes Gebäude, das mit einem „Piaggio“ Schild verziert ist. Im Innenraum stehen viele Roller und zwei nagelneue kleine Moto Guzzi –Bobber-.
Der Chef naht, mein Fahrer erklärt die Situation und siehe da, der Chef nickt mit dem Kopf. Wir dürfen abladen. Es ist fast schon Mittagszeit, eine irre Hitze. Die Limone steht draussen vor dem Gebäude, meine Klamotten und das Gepäck darf ich ins Café stellen, wo mir sofort von Peter, dem zuständigen Mitarbeiter am Empfang etwas zu trinken und ein Kaffee angeboten wird. Peter ist sehr freundlich, wir tauschen uns aus, ich erkläre, dass wir erstmal nur ein –Multimeter- benötigen, um zu sehen, ob der Regler lädt, was die Batterie macht.
Peter schüttelt den Kopf. Ein Multimeter haben sie zwar, aber das sei defekt. Das zweite Multimeter ist beim Mitarbeiter in der anderen Werkstatt, die sich mit Harley Davidson beschäftigt. Dieser Mitarbeiter kommt erst gegen 15 bis 16 Uhr, bis dahin müssen wir warten.

Kaffee trinkend sitze ich im Cafè, schaue mich in der Gegend um. Gleich gegenüber, nur wenige Schritte weiter ist eine Autowerkstatt, die wohl Reifen verkauft und irgendwelches Zubehör. Also beschließe ich, einfach mal zu fragen.
Die Türe steht offen, an der Theke sitzen drei Herren, die mich freundlich empfangen.
Ich erkläre meine Situation, dass ich mit einem Motorrad ein Problem habe. Einer der Dreien unterbricht mich mit den Worten: „wir reparieren keine Motorräder“.
Halt, langsam, erwidere ich, ich brauch nur ein Multimeter, leihweise, alles andere erledige ich selbst.
„Okay, no problem“
Er geht nach hinten, holt das Instrument, ich reiche ihm meinen Personalausweis als Pfand und schon halte ich das Mulitmeter in der Hand.
Schnell zur Limone, ich will es wissen.

Ohne Motor 12.8 V.
Im Leerlauf 13.5 Volt
Bei 2.000 Umin 13.6 V.
Bei eingeschaltetem Licht 14.2 V

Also, der Regler kann es nicht sein. Die Batterie ist neu und –voll-
Nachdem ich das Mulitmeter wieder zurück gebracht hab, kam Peter auf mich zu, der Mitarbeiter kommt fruher und kümmert sich um die Limone.
30 Minuten später wird die Limone in die Werkstatt geschoben, ich darf nicht mit rein, soll mich in ca. 1 Stunde wieder melden. Bis dahin gehe ich in ein Straßencafé und versuche via
–whatsapp- mit meinen Freunden heraus zu finden, wo der Fehler liegen könnte.
Schnell ist klar, dass der Regler keine Macke hat, es irgend etwas anderes sein muss.
Ich bekomme den Tipp, dass Peter Horvath, der in Wien ist, eventuell eine Hilfe sein könnte. Ja, Peter, an ihn hab ich auch schon gedacht, hab aber keinerlei Telefonnummer, nichts.

Die Stunde ist vorbei, meine Limone steht noch in der Werkstatt, der –Meister- kommt zu mir und erklärt mir: die Ladespannung (Volt) ist okay, aber der Ladestrom (Ampere) sei zu gering.
Der Regler ist nicht orginal (ja, ist ja der von Sachse) und defekt, müsse ausgetauscht werden.
Einen neuen Regler zu beschaffen dauert 2 bis 3 Wochen, vorher ist nichts zu machen.

Prima, danke, genau das wollte ich hören.
Sofort den ADAC angerufen, ihnen mitgeteil, dass das Motorrad nicht repariert werden kann, ich einen Rücktransport nach Deutschland wünsche und einen Leihwagen, der mich wieder nach Hause bringen soll.
Ich werde um Geduld gebeten, werde in Kürze zurück gerufen. Sobald der ADAC von der Werkstatt den definitiven Befund erhalten hat, können weitere Schritte eingeleitet werden.
Stunden vergehen, der ADAC ruft nicht zurück, also rufe ich wieder an, gebe zu verstehen, dass ich hier bald auf der Straße sitze, sobald die Werkstatt schließt. „Ja, wir rufen sie gleich wieder zurück, noch haben wir keinen Bescheid“

Es ist 18 Uhr, Peter vom Empfang schaut mich ratlos an. „was machst du jetzt?“
Keine Ahnung, der ADAC ruft nicht zurück, sag ich zu ihm, muss mir wohl ein Hotel suchen. Kannst du mir ein Taxi bestellen?
„klar, kein Problem“
Das Taxi rollt heran, Peter erklärt dem Fahrer, dass er mich in ein Hotel bringen soll.
Welches Hotel? Egal, irgend eines, wo ich am Abend noch was zu essen und trinken bekomme, gerne in der Nähe der Altstadt. Der Taxifahrer telefoniert währen der Fahrt, macht mehrere Vorschläge. Die Hotels kosten in der Stadtmitte zwischen 120,- Euro und 300,- Euro ….pro Nacht! Der ADAC bezahlt jedoch nur ca. 80,- Euro. Also nehm ich mein Handy und …..finde ein Hotel zu einem angemessenen Preis, direkt in der City von Bratislawa.
Es hat angefangen zu tröpfeln, leichter Regen setzt ein. Immer noch fast 30° und Regen. 100% Luftfeuchtigkeit. Meine Klamotten sind schnell im Zimmer verstaut, die Dusche macht wieder einen Menschen aus mir. An der Hotelrezeption bekomme ich Tipps, wo ich in der Stadt gut essen kann.

Die Altstadt ist nicht sehr groß, aber voller Restaurants und Cafe`s, mitten hindurch fährt eine uralte Straßenbahn, fast so alt, wie die schön restaurierten Häuser selbst. In einer Seitengasse finde ich etwas passendes, wo Essen und Trinken direkt nebeneinander liegen.
Zum Abendbrot gibt es Crepes, zum Nachtisch frisches Budweiser Bier.
Das Café ist fast voll, die Bedienung stellt weitere Tische und Stühle hinaus. Einer dieser Tische ist mein.

Mein Handy bimmelt, eine Nachricht mit der Telefonnummer von Peter Horvath in Wien. Peter ist gerne bereit zu helfen.
Wird das Blatt sich noch wenden?
Peter ist sehr nett am Telefon, fragt mich, ob ich es mit der Limone bis Wien schaffe?
„keine Ahnung, Peter, ich weiß es nicht“

Wieder setzt Regen ein, schnell muss ich aufstehen, nehme mein Bierglas und die paar Sachen vom Tisch, stelle sie, ohne zu fragen, an einen anderen Tisch, an dem zwei junge Männer unter einem Schirm sitzen.

Peter gibt mir den Ratschlag, morgen, alle Relais gegeneinander auszutauschen und nach der 30 A – Sicherung zu schauen (was ich schon getan habe).
Wir verabreden uns für den morgigen Tag. Ich will veruchen, bis nach Wien zu kommen. Es sind ja nur 70 Kilometer und wenns nicht klappen sollte, werden wir schon eine Lösung finden.
Danke Peter, bis morgen!

Nun steh ich da, mit dem Bierglas in der Hand, frag die beiden Jungs höflich, ob ich mich zu ihnen an den Tisch gesellen darf. Sie nicken freundlich und zeigen auf meinen Geldbeutel, der seit einer Viertelstunde bei ihnen auf dem Tisch liegt. In der Eile hab ich komplett vergessen, was ich bei dem einsetzenden Regen von meinem Tisch genommen habe und einfach irgendwo abgestellt.
Danke, Jungs…wir lachen und kommen ins Gespräch. Beide sprechen fast perfekt englisch, ich erzähle von der Limone und dem bisherigen Drama; mein Tischnachbar erzählt mir von seinen serbischen Freunden, die ihm jedes Jahr Slivowitz und Ajvar mitbringen. Es wird ein langer und wunderbarer Abend voller erfrischender Gespräche, bis zwei sehr hübsche, junge Frauen an unseren Tisch kommen, die beiden Jungs begrüßen…und mitnehmen.
Den letzten Schluck Bier nehm ich also alleine, die 300 Meter durch die Altstadt, vorbei an vielen jungen Menschen zu meinem Hotel sind eine Leichtigkeit.

Hoffnung keimt in mir. Was wird der morgige Tag bringen? Wird Peter etwas ausrichten können?

Re: Limone auf Reisen

Verfasst: Mi 2. Aug 2017, 21:13
von Vladan
Donnerstag

Eigentlich sollte ich längst in Serbien sein, statt dessen sitze ich hier in Bratislava in einem Riesenhotel. Das Buffet ist gut gedeckt, schelles Frühstück, Taxi und ab zur Piaggio-Werkstatt, wo die Limone steht.
Peter gibt mir meinen Motoradschlüssel, schnell sind die Relais gegeneinander getauscht. Das Gepäck verzurrt, Wien im Navi einprogrammiert.
Denkste. Das Navi will nicht, wie ich will, lädt nicht mehr. Kontaktprobleme. Ein Armreif aus Gummi, das ich vor 5 Jahren aus Mandello mitgebracht habe, im Tankrucksack mitführe wird Abhilfe schaffen. Navi und Halterung bilden nun eine Einheit, es lädt und so geht meine Reise weiter….nach Wien.
Die Limone läuft, als sei nichts gewesen, bringt mich aus der Stadt auf die Landstraße. Peter Horvath gab mir noch den Tipp, nicht auf die Autobahn zu fahren, vielmehr die Landstraße zu nehem….für den Fall, dass ich wieder liegen bleibe, ist es für ihn leichter, mich dort aufzusammeln.

Eineinhalb Stunden später stehe ich bei Peter vor seiner Werkstatt. Die Limone hat keine Zicken gemacht. Bis auf ein paar kleine –Verschlucker- ist sie problemlos gelaufen.
Peter ist ein sehr herzlicher Mensch, empfängt mich freundlich und bittet mich in seine, wie er sagt, -kleine Werkstatt-. Er schaut überhaupt nicht aus, wie ein Rentner, wirkt unglaublich jung und frisch. Beim Kaffee unterhalten wir uns, ich erzähle, was bisher gewesen ist, dass ich seinen Rat befolgt habe, die Relais gegeneinander getauscht, alle Sicherungen gezogen und begutachtet, die 30A-Sicherung hab ich präventiv getauscht.
Wir kommen zum Resultat, dass es keine große Sache sein kann. Irgendwo ein Masseproblem.
Peter druckt mir noch einen Schaltplan der Limone aus, gibt mir eine Handvoll Relais mit auf den Weg.
Vielen, lieben Dank Peter!

Jetzt steh ich da. Die Limone läuft. Wohin geht die Reise?
Zurück nach Hause sind es 600 Kilometer. Nach Serbien sind es etwas mehr als 800 Kilometer. Heute Abend schon könnte ich in meiner eigenen Badewann liegen.
Fahr ich weiter, weiß ich nicht, was auf mich zu kommt. Sollte ich in Ungarn oder Serbien stehen, liegen bleiben, hab ich die Arschkarte gezogen. Auf dem Balkan wird mir so schnell keiner mehr helfen können, einen Fehler zu lokalisieren, die Limone wieder in Schuss zu bringen, geschweige denn irgendwelche elektronischen Bauteile zu besorgen.
Aufgeben war noch nie meine Stärke.
Es ist 14 Uhr, wir stehen mitten in Wien, das Navi sagt: noch 725 Kilometer bis zum Ziel.

Die Stadtautobahn ist schnell genommen, die Schilder sagen mir, wo und wie weit Budapest liegt. Es ist brütend heiß, je weiter wir nach Süden kommen, entwickelt der Fahrtwind sich zum heißen Fön. Ich fahre und muss mich zwingen, nicht ständig auf den Drehzahlmesser zu schauen. Er war und ist ein Indiz, ob wir wieder liegen bleiben.

„Werte Limone, da musst du jetzt durch. Und wenn du zickst, verschenk ich dich an einen alten balkanesischen Bauern. Der wird dich auseinander pflücken, dir Stollenreifen aufziehen, zum Ackergerät umbauen, du wirst stets schlechten Sprit eingeflößt bekommen und dein restliches Dasein auf dem Acker verbringen, darfst die Paprikaernte einfahren. Willst du das wirklich?“

Die Autobahn in Ungarn ist furchbar schlecht, dafür das Pickerl billig. Die 200 Kilometer bis Budapest vergehen wie im Fluge, immer seltener schaue ich auf den Drehzahlmesser und rede mir ein, dass es –eigentlich- vorbei sein müsse mit den Elektrikproblemen. Wenn sie bis jetzt durchgehalten hat, warum sollte sie wieder schlapp machen?
Noch weitere 200 Kilometer bis zur serbischen Grenze. Die Landschaft ist topfeben, die Temperaturen haben die 30° Marke längst überschritten. Die Rukka-Klamotten sind zwar gut, stoßen nun aber an ihre Grenzen. Die Jacke ist nur zur Hälfte verschlossen, so dass wenigstens ein wenig Fahrtwind an den Körper kommt.
Die Schilder sagen mir, noch 2 Kilometer bis zur Grenze und so verwundert es nicht, dass eben diese 2 Kilometer auch eine riesige Autoschlange darauf wartet, abgefertigt zu werden.

Serbien ist Europa-Aussengrenze. Jedes Auto wird einzeln kontrolliert, die Menschen sitzen in ihren zumeist klimatisierten Autos, während ich mich an der kompletten Schlange vorbei schleiche. Den Helm trage ich am Ellenbogen, mein deutscher Personalausweis ist Zeugnis genug, mich sofort durchzuwinken.
Schnell rolle ich auf den nächsten Parkplatz, will mich anziehen, um die Reise fort zu führen.
Schon steht neben mir eine Zigeunerin mit einem kleinen Baby im Arm, bettelt mich an.
Willkommen in Serbien, meinem Heimatland.

Es ist früher Abend, die Autobahn ist eine kleine Katastrophe, Betonpiste, Schlaglöcher wechseln sich mit spiegelglattem Asphalt ab, sehr wenige Autos sind unterwegs. Es fühlt sich an, wie die Bilder von deutschen Autobahnen aus den 60er Jahren.
Müde bin ich, beschließe mir eine Bleibe zu suchen und rolle die nächste Tankstelle an, wo 3 Mitarbeiter gerade ihren Feierabend einläuten. Ich frage sie nach einer Übernachtungsmöglichkeit und Restaurant.
Sie deuten auf die Tankstellenenfahrt.
Kurz davor befindet sich ein kleiner (kaum sichtbarer) Lehmpfad, den musst du hinein fahren. Nach 100 Meter links abbiegen, dann weitere 300 Meter auf der Schotterpiste bis zur Hauptstraße. Nach drei Kilometern erreichst du „Palic“, das nächste Städtchen, dort wirst du eine gute und preiswerte Übernachtung, in Fischrestaurants göttlich speisen können.

Zuerst sehe ich diesen Lehmpfad nicht, rolle langsam Richtung der Einfahrt, die von der Autobahn in die Tankstelle führt. Jetzt sehe ich diesen Schmalen Pfad, fahre hinein und befolge die Anweisungen der drei Herren.
Palic ist ein direkt an einem See gelegener Ort, von Stadt kann kaum die Rede sein. Am Ortseingang biege ich links ab, in ein parkähnliches Gelände. Ein großes Hotel mit Restaurant auf der rechten Seite, der See zur Linken. Dort am Wasser entdecke ich drei Motorräder, deren Jungs mit der Bierflasche in der Hand die laue Sommernacht genießen. Ich frage auch sie nach einer Bleibe und Essmöglichkeit. Sie winken mir zu: „komm mir, fahr uns hinterher, wir zeigen dir, wo du bleiben und essen kannst“.

Die Bleibe ist eine kleine, aber saubere Pension, das Zimmer wirklich billig. Frühstück inklusive gibt es auf der Terrasse.
Abendessen. Weit und breit gibt es hier kein Restaurant, also muss ich die Limone bemühen, wir fahren ins „Stadtzentrum“, das aus einer Handvoll Kneipen und drei Pizzerien besteht.
Na, toll. Dort, wo ein paar Motorräder stehen, parke auch ich die Limone in der Hoffnung, mit ein paar Menschen reden zu können, schließlich bin ich nun in (Nord)Serbien, kann mich mit den Leuten problemlos verständigen. Von einheimischem Essen (Cevapcici?) ist hier keine Spur, nur Pizza. Okay, dann eben italienisch.

Der Kellner kommt lustlos an meinen Tisch geschlichen, fragt mich recht unfreundlich was ich wünsche. Ich bestelle, erhalte in Kürze mein Bier, gefolgt von der schlechtesten Pizza, die ich in meinem Leben „genießen“ durfte.
Zwei weitere Biere, kaum Menschen, mit denen eine Unterhaltung auch nur annähernd möglich ist, keine jungen Leute, beschließe ich den Abend zu beenden, fahre in meine Pension, wo ich vom Hausvater noch ein Bierchen hingestellt bekomme.

Die Nacht wird ein wenig unangenehm. Magensäure plagt mich und dennoch schlafe ich ein.
Mitten im Schlaf werde ich von einem Hustenanfall geweckt, Magensäure läuft mir zur Nase hinaus. In Gedanken bedanke ich mich noch einmal bei dem Kellner für die Pizza.
Viel Wasser aus dem Wasserhahn wird den Magen wieder beruhigen und so schlafe ich auch ein, schlafe durch, bis mich die ersten Sonnenstrahlen in der Nase kitzeln.

Re: Limone auf Reisen

Verfasst: Mi 2. Aug 2017, 21:15
von Vladan
Freitag

Das Frühstück ist einfach, aber gut. Man merkt die Nähe zu Ungarn, hier wird sehr viel mehr Wurst und Fleisch zum Frühstück servert, als in Südserbien, wo ich geboren wurde.

Es ist ein warmer, trockener Sommertag im Juli, die Limone ist schnell gesattelt und so hat uns die Autobahn nach kurzer Zeit wieder. 380 Kilometer noch muss die Limone aushalten, bis wir beide am Ziel sind.
Das nächste Etappenziel ist Belgrad, die Hauptstadt Serbiens, ca. 200 Kilometer von der ungarischen Grenze entfernt.
Auch hier ist die Straße ein Wechselbad der Gefühle. Von uralter Betonpiste, für die die Limone viel zu hart eingestellt ist, bis hin zur Superstraße, die gefühlt erst gestern für den Verkehr frei gegeben wurde. Da ich weder Lust, noch das nötige Wissen habe, wie die Limone korrekt eingestellt wird, muss sie beides nehmen, wie es ist. Knöcheltiefe Schlaglöcher wie auch nagelneuen Asphalt.
Belgrad ist ein Moloch, die Umgehungsstraße führt nur an den hässlichen Außenbezirken vorbei. Zuletzt war ich hier als Rekrut zur Musterung vor über 35 Jahren. Die Innenstadt hat sicher ihre Reize, doch sollen diese für ein ander mal auf mich warten.

Hinter Belgrad wird es deutlich hügeliger. Die Landschaft erinnert mich ein wenig an die Schwäbische Alb. Vorbei an vielen Maisfeldern kann man am Horizont auch das Mittelgebirge, dessen Name ich vergessen habe, erkennen.
Noch 120 Kilometer, ein letztes Mal tanken und einen ersten türkischen Mokka schlürfen ist angesagt. Es ist Mittag und warm, die Sonne scheint, ich genieße es, bald angekommen zu sein und bestelle mir zu dem Mokka ein Bier, schließlich ist es nicht mehr weit, etwas mehr als eine Stunde Fahrt auf einer Strecke, auf der ich schon so viele Male unterwegs war.
Das Bier schmeckt gut, doch sollte es sich als ein Fehler erweisen, am frühen Tage Alkohol zu trinken. In kürzester Zeit fühle ich mich betrunken, schummrig, was eigentlich überhaupt nicht sein kann und doch ist!
Nun denn, ich muss weiter, die allerletzte Hürde wird keine allzugroße mehr sein.
Schon bald kenne ich auch die größeren Städte entlang der Autobahn. Meine Geburtsstadt liegt gerade mal 40 Kilometer vom Ziel entfernt. Ich werde unmerklich schneller, die Gashand wird wie verzaubert geführt, macht was sie will. Eigentlich „fliege“ ich gerade die letzten Kilometer über die Autobahn bis zur Ausfahrt, von der aus es noch 2 Kilometer sind.

Direkt am Ortseingang von Cicevac, meinem Ziel, liegt auch das Haus zur linken Seite.
Die Limone fällt in den Seitenständer, ich nehme den Helm ab und nehme tief Luft, atme den Duft meiner Kindheit.

Von hinten höre ich eine Stimme: „Hallo, ich bin der Nachbar und du bist bestimmt Vladan; ich kenne dich noch von früher, aber du hast mich bestimmt vergessen“
Der Nachbar hat die Limone gesehen und sofort verstanden, dass es niemand anderes als ich sein kann, der hier mit dem Motorrad parkt. Es gibt nicht sehr viele Motorräder hier und schon keine mit deutschem Kennzeichen.
Ich betätige die Klingel am Tor, doch nichts regt sich, bis auf einen jungen Hund zu zwei Kätzchen, die herbei eilen.
Der Nachbar sagt noch zu mir: „die alte Dame hört nicht mehr gut, du kannst bedenkenlos einfach rein gehen“.
Er öffnet mir das Tor, ich rolle langsam an das Haus heran, stelle die Limone vor die Garage.
Es ist niemand auf der Terrasse, bis auf die Tiere, die an mir hoch springen, mich begrüßen, als kennen sie mich schon sehr lange.
Auch an der Klingel am Haus drücke ich den Knopf.
Nichts, niemand zuhause?
Es ist nicht abgeschlossen, vorsichtig öffne ich die Haustüre und höre den Fernseher schon aus dem Flur heraus.
Ich betrete das Wohnzimmer und dort sitzt die alte Dame, die mich nicht gehört hat.
Zwei mal muss ich rufen: „Mama, Mama!“
Meine Mutter dreht sich sehr langsam zu mir her, erblickt mich, ihre Augen ganz weit, sie erstarrt.
Sie schließt die Augen, öffnet sie wieder, wischt sich die Tränen aus ihrem alten Gesicht.
Ihre Hände zittern und es braucht eine ganze Weile, bis sie die Kraft findet, aufzustehen, mich zu begrüßen, Worte für Ihr Glück zu finden.
Der Abend gehört nur uns beiden allein.

Meine Mutter habe ich seit zwei Jahren nicht mehr gesehen, zuvor sind drei Jahre seit ihrem letzten Besuch bei mir in Deutschland vergangen.
Regelmäßige Telefonate können den persönlichen Kontakt nicht ersetzen. Oft habe ich gespürt, dass es an der Zeit ist, sie wieder zu besuchen, habe gefühlt, dass es ihr unausgesprochener Wunsch war, mich, ihren Sohn wieder zu sehen.

Die Tage bei meiner Mutter vergingen wie im Fluge, wir hatten unglaublich viel Spaß miteinander, sie hat mir von ihrer Vergangenheit erzählt, hat mich selbst in meine eigene Vergangenheit geführt. Geschichten, die ich nicht kannte, oder bis dahin mit anderen Augen gesehen habe, durfte ich mir sehr lebhaft anhören.

Re: Limone auf Reisen

Verfasst: Mi 2. Aug 2017, 21:16
von Vladan
Montag

Die Tage bei meiner Mutter sind vorbei, meine Abreise steht bevor. Die Tage vor meiner Ankunft, so erzählte sie mir, waren sehr heiß, teilweise über 40° und nun steht wieder eine Hitzewelle an. Übermorgen soll die 40° Marke wieder deutlich überschritten werden. Also beschließe ich, einen Tag früher als geplant abzureisen.

Ein kurzes Frühstück, meine Mutter erzählt viel, immer noch, als wolle sie mich nicht gehen lassen, tut so, als bliebe ich einen Monat, sie will es nicht wahr haben, dass ich schon bald wieder auf der Straße sein werde.
Langsam bepacke ich die Limone, während die Katzen um mich herum schleichen, der junge Hund nach Aufmerksamkeit bettelt. Meine Mutter sitzt da, will mir noch Marmelade, Ajvar und allerlei sonstige Leckereien mitgeben, was ich ablehnen muss. Auf der Limone ist nicht viel Platz. Der Tankrucksack und zwei Packtaschen, mehr ist es nicht.
Wir stehen vor dem Tor, haben beide einen dicken Klos im Hals, sie weint, ich muss ihr noch versprechen, mich heute Abend wieder bei ihr zu melden, sobald ich unterwegs eine Bleibe, ein Hotel gefunden habe.

Die Limone schüttelt sich, unsere Reise geht weiter. Bei 18° fahre ich los, es ist traumhaftes Motorradwetter. Schnell sind wir wieder auf der Autobahn, es geht gut voran, Tankpausen werden auf die Schnelle genommen. Bezahlen, ein Schluck Cola aus der Flasche und schon sind wir hinter Belgrad. Wir spüren die anstehende Hitzewelle, kurz vor Mittag sind es wieder knapp 30°, aber allemal besser als das, was uns morgen erwarten würde.
Auch die serbisch-ungarische Grenze passieren wir, wie bereits auf der Hinreise problemlos. Es reist sich gut mit dem deutschen Ausweis.
Da wir recht früh weg gekommen sind, ist die Zeit als solche kein Problem.
Budapest ist schnell genommen. In Bratislava hätte ich gerne wieder ein Zimmer genommen, aber es ist noch früh am Tage, gerade mal Nachmittag, also beschließe ich, weiter zu fahren, so weit, bis ich einfach nicht mehr kann.
Brünn steht auf den Schildern geschrieben. Brünn? Von der Stadt habe ich nur gelesen, weiß, dass sie in Tschechien liegt und eine Rennstrecke zu bieten hat, auf der ich noch nicht gefahren bin, vielmehr nicht. Also will ich mir in Brünn ein Hotel suchen.

Bis Brünn sind es von meiner Mutter aus ca. 850 Kilometer und so ziehen sich die letzten 100 Kilometer wie ein zäher Kaugummi.
Wir nehmen die Ausfahrt, die Richtung City weist und immer den Schildern entlang. Das Zentrum muss ziemlich groß sein, aber kaum eine Straße führt hinein und die, die es würden, sind wegen Baustellen gesperrt. Ganz frech biege ich irgendwo vermutlich illegal ab und stehe vor der Fußgängerzone, Fahrzeuge sind weit und breit, bis auf Busse, keine zu sehen.
Hotel suchen. Zu Fuß?...nein, sicher nicht. Das Smartphone weiß es innerhalb von wenigen Minuten. Das Hotel „Slavia“ ist genau 160 Meter von mir entfernt und hat ein Zimmer zu angemessenem Preis frei. Den Helm auf dem Ellenbogen bollert die Limone in die Fußgängerzone hinein, um wenige Meter später direkt von dem Hotel zu stehen.

Ein altehrwürdiges Hotel mitten im Zentrum der Stadt erwartet uns. Das Zimmer ist angenehm groß, so dass ich mich nach Lust und Laune ausbreiten kann, duschen, umziehen und ab in die Stadt auf Erkundungsreise. Brünn ist eine wunderbare Stadt, der es anzusehen ist, dass sie eine Ruhmreiche Vergangenheit hinter sich hat und die kommunistischen Jahre längst hinter sich gelassen. An nur wenigen Stellen, außerhalb der Fußgängerzone ist der Muff des Sozialismuss zu erkennen.
Sehr viele junge Menschen sind zu sehen, sehr viele schöne Menschen, elegant bis sportlich gekleidet, teilweise leger und immer stilvoll. Hiervon könnte sich die deutsche Jugend ein gehöriges Scheibchen abschneiden.

Ich muss aufpassen, dass ich jetzt und hier nicht gleich drei Ärzte auf einmal benötige.
Einen Orthopäden, der mir den Hals wieder einrenkt
Einen Chirurgen, da ich ständig fast gegen einen Laternenmasten laufe und drohe mir den Schädel zu brechen.
Und ja, einen Herzspezialisten, weil mir fast das Herz stehen bleibt, bei so viel Schönheit.

Auf dem Marktplatz spielt eine afrikanische Band eine Mischung aus Weltmusik und Jazz, mehrere hundert Zuschauer stehen um die Bühne herum und haben sichtlich Spaß. Mein Interesse gilt erst einmal den Hunger zu stillen und so lande ich wieder einmal in einer Seitenstraße der Fußgängerzone. Die Tische des Restaurants sind mitten auf der Straße, etwas überhöht, mit großen Schirmen ausgestattet. Die Bedienung ist flott, freundlich und zuvorkommend. Alles passt wunderbar. Das tschechische Bier ist eh über jeden Zweifel erhaben und die Küche liegt mir sehr. Die Preise sind sehr zivil. Herz, was willst du mehr.
Wenn mir morgen jemand einen Job in Brünn anbieten würde…..oh, ich würde schwach werden.

Auch dieser Abend vergeht viel zu schnell. Als ich aufbreche, ist die Fußgängerzone bereits fast leer, nur noch wenige, versprengte Gestalten tummeln sich in den Bars bei Chillmusik.
Mein Ansinnen ist jetzt nur noch, die 850 Kilometer vom heutigen Tage zu verdauen, in mein Bett zu fallen und zu träumen.

Re: Limone auf Reisen

Verfasst: Mi 2. Aug 2017, 21:17
von Vladan
Dienstag

Früh wache ich mit so vielen Erinnerungen an den letzten Abend auf.
Die Sonne scheint ins Zimmer, der letzte Tag meiner Reise ist angebrochen.
Das Frühstücksbuffet ist wieder einmal reichlich gedeckt, es fehlt an nichts und so lasse ich mich hier noch ein bisschen verwöhnen.
Mittlerweile bin ich routiniert im Packen, es geht alles recht flott, die Packtaschen und der Tankrucksack beherbergen alles notwendige.

Die Limone ist bepackt, das Gepäck gut verzurrt. Seit der Abfahrt haben wir fast 2.500 Autobahn-Kilometer hinter uns gelassen, die Limone braucht zwar so gut wie kein Öl, doch schaue ich aus Gründen der Sicherheit noch einmal nach dem Ölstand. Knapp über Minimum auf dem Seitenständer. Also die Halblieterdose genommen und nachgefüllt. Beim Einfüllen des frischen Öls läuft einiges daneben, eine große Lache bildet sich, die ich nur mühsam mit Servietten aus dem Frühstücksraum wieder halbwegs sauber bekomme. Neben der Limone knieend sehe ich an meiner Seite einen Herrn stehen, es ist der Hotelportier, elegant in roter Uniform gekleidet. Er spricht mich auf deutsch an, wann ich gedenke abzureisen.
Mein schlechtes Gewissen ist mir ins Gesicht geschrieben, hatte ich doch erwartet, Schimpfe zu bekommen, wegen des Ölflecks. Nichts dergleichen folgt, wir kommen ins Gespräch, der alte Herr wollte einfach nur mit mir reden und die Limone bestaunen. Er sieht sie mit großen, leuchtenden Augen an, staunt und gibt immer wieder den erhobenen Zeigefinger.
„Moto Guzzi – seer scheen“, mit einem herrlichen slawischen Akzent lässt er mir zukommen.
Er erzählt von einem großen Motorrad-Event, das im Herbst in Brünn stattfinden soll, erst später verstehe ich, dass er wohl die Rennstrecke meint, auf der viele Tausend Menschen ihren Spaß haben werden und das von großer Bedeutung für die Stadt Brünn selbst ist.

Der Portier wartet, bis ich alles fertig habe, meine Klamotten übergezogen und den Helm auf dem Kopf hab. Er reicht mir die Hand, wünscht mir eine gute Reise und sagt noch:
„bis zu neexte mal, ich hoffe, du bist mein Gast“

Von Brünn bis Prag sind es gerade mal 200 Kilometer, eine kurze Etappe also. Noch überlege ich, in Prag einen weiteren Tag einzulegen, die Zeit habe ich ja im Moment. Die Limone läuft und mein Termin zuhause ist erst Freitag. Zu gerne wäre ich nach Prag hinein gefahren, mir ein nettes Hotel gesucht und den Tag dort verbracht. Doch geht mir langsam die Kohle aus, hab eh die letzten Krümel zusammen gekratzt, um die Reise zu meiner Mutter zu finanzieren, die beiden unbeabsichtigten Tage in Bratislava hätten nicht sein müssen, so beschließe ich, Prag ein ander mal zu besuchen. Die Stadt ist groß, die Stadtautobahn ganz gut ausgebaut, die Beschilderung ist einleuchtend….und doch verfahre ich mich, biege irgendwo nicht ab, wie das Navi es wollte. Es ist nun auch egal, wir kommen ein wenig später aus der Stadt heraus, nehmen den nächsten Weg nach Deutschland, die deutsche Autobahn.
Die letzten 300 Kilometer bis nach Hause sind auf der berühmten –einen Arschbacke- absolviert.

18 Uhr stehe biege ich in meinem Straße, lasse die Limone in den Seitenständer fallen, bin glücklich.

Re: Limone auf Reisen

Verfasst: Mi 2. Aug 2017, 21:33
von uwe.v11
Vlado :gaas:
Weiter :gaas:
Es gibt Menschen die kommen heuer zum 30sten mal im Urlaub hier an den selben Ort,
Die gleiche Pension :hammer:
Weiter :gaas:
Vlado
Weiter :gaas:

Re: Limone auf Reisen

Verfasst: Mi 2. Aug 2017, 21:37
von werner
Tolle Geschichte. Wir sollten mal wieder ein zusammen trinken..!

Gruß
Werner

Re: Limone auf Reisen

Verfasst: Mi 2. Aug 2017, 22:24
von -Martin.Glaeser-
Vlado.. .. schön geschrieben.
Bin während des Lesens im Geiste mitgefahren. Habe mitgeschwitzt. Und mitgeflucht.

Gönne Deiner Limone mal eine ordentliche Dusche mit richtigem Kontakt-Spray (nicht das WD40).
Dazu muss der Tank runter. Dann liegen all die Stecker frei zugänglich, die der grosse Schwachpunkt der V11 sind.

Danke für den Reisebericht.
Ich komme ja aus Franken immer nur bis Prag, auf meinen Mopped-Touren.
Ich sollte mal weiterfahren Richtung Brünn. Oder Slowakei.....

-M-

Re: Limone auf Reisen

Verfasst: Do 3. Aug 2017, 07:01
von MartinS
Wahnsinn, supertoll geschrieben, man glaubt beim lesen dabei zu sein.Du solltest Bücher schreiben.
:clap:
Martin

Re: Limone auf Reisen

Verfasst: Do 3. Aug 2017, 07:23
von uwe.v11
übrigens,der abstürzende Drehzahlmesser und so
ist das Relais (ich glaub das Dritte von vorne wars)
und gut
Limone an Limone :-)
uwe

Re: Limone auf Reisen

Verfasst: Do 3. Aug 2017, 08:09
von Hirschhäuser
Toll geschrieben, vielen Dank!

Stephan

Re: Limone auf Reisen

Verfasst: Do 3. Aug 2017, 15:34
von Michaela_Collins
Hey Vladan, ich habe deinen Reisebericht ganz gespannt gelesen. Mir ging's genau wie Martin, ich war richtig dabei. Beinahe hätte ich dabei meinen Arzt Termin verbummelt so gebannt war ich.
Top geschrieben.

Gruß Michaela

Re: Limone auf Reisen

Verfasst: Do 3. Aug 2017, 21:13
von V11
Hallo Vladan,
eine schöne, kleine Abendlektüre hast du mir hier gebracht, toll und spannend geschrieben :clap:
Ich wusste garnicht, dass du so ein literarisches Händchen hast. Kannst gerne mehr davon schreiben...
Wir müssen uns unbedingt mal wieder zum Stammtisch am Glemseck sehen...

Viele Grüße - Carlo

Re: Limone auf Reisen

Verfasst: Fr 4. Aug 2017, 14:30
von oliguzzi
Bravo Vladan, sehr schön geschrieben. :clap:

Habe einige Kollegen und Freunde in Belgrad, bin auch öfter mal dort, und kann deshalb glaube ich ein paar Dinge ganz gut nachvollziehen.

Ja, ich hab' sogar schon mal eine Original Serbische Hochzeit mitgemacht....und überlebt ;)

Bis hoffentlich bald mal wieder....

LG

Oliver.

Re: Limone auf Reisen

Verfasst: Mi 1. Aug 2018, 12:53
von Vladan
Es waren, wie erwartet, angenehme Tage hier in Mandello gemeinsam mit meinen Stammtischbrüdern vom Glemseck-Stammtisch.

Heute ist der letzte Tag. Schon früh am Morgen scheint die Sonne, unser letztes Frühstück unter freiem Himmel mit Blick auf den Lago di Como.
In den Nachrichten kam die Durchsage, dass in den Alpen ein Wetterumschwung zu erwarten ist, es soll kälter und feucht werden.
Erinnerungen an den Sommer 2011 werden wach, als von Samstag auf Sonntag die Berggipfel rund um den See über Nacht mit Schnee bedeckt waren, die Rückfahrt einem Eiertanz glich.

Ungewissheit und ein bisschen Angst beschleicht mich, dass sich diese gefährliche Quälerei wiederholen könnte.
Ich beschließe einen Tag früher, jetzt gleich nach dem Frühstück aufzubrechen und soweit zu fahren, wie ich komme, Hauptsache über die Alpen.

Da der Splügenpass temporär geschlossen ist, wird klar, dass es der Maloja und Julierpass werden.
11 Uhr ist Aufbruch, bei 27° verlasse ich Mandello, gleite am See entlang, nehme die letzten Impressionen mit auf den langen Weg, rieche das Wasser, genieße die wärmende Sonne bei wenig Verkehr. So oft bin ich nun schon hier gewesen und doch kann ich mich nicht satt sehen an den kleinen Orten, die sich am See anreihen, wie Perlen an einer Kette.
Wehmut steigt in mir auf; wenn ich so etwas wie Heimweh verspüre, dann hier nach dieser Gegend. Ciao, mein geliebter See.
Etwas mehr als eine Stunde später bin ich schon am Kreisel in Chiavenna. Die Terrasse ist voll, es ist drückend warm und ich will ja über die Alpen.
Nein, kein Espresso, viel mehr „arrivederci bella Italia“.
Der Maloja Pass ist nicht weit und doch zieht es sich bis Silvaplana entlang des gleichnamigen Sees, bis es hinauf geht zum Julierpass.
Immer noch ist es angenehm warm, und doch, mit jedem Kilometer wird die Luft kühler. Ich ziehe den Reißverschluß meiner Lederjacke nun bis ganz nach oben, behalte die leichten Sommerhandschuhe an, was sich noch als nicht sehr klug erweisen sollte.
Auf der Passhöhe des Julier sind es um 13:30 Uhr gerade noch 9° bei herrlichem Sonnenschein.
Ja, hier gönne ich mir einen schnellen Kaffee und ein Croissant.
Die Verkäuferin an der Theke meint noch zu mir, dass es gestern wohl weit weniger angenehm war und der heutige Tag perfekt sei für die Überquerung der Alpen.
Danke schön!

Der Julier ist wirklich leicht zu fahren und doch möchte ich kein Risiko eingehen.
Im Bewusstsein, dass die Reifen hier oben kalt sind, die Straße kalt ist, gleite ich die breit ausgebaute Straße, Kurve um Kurve in gemächlichem Tempo hinab ins Rheintal, das sich an den längsten Tagen des Jahres in voller Pracht präsentiert. Selbst die schweizer Autobahn ist hier nicht langweilig, vielmehr bietet sie einen prachtvollen Anblick auf die umliegenden Berge mit viel Abwechslung.
Und so ist auch die Schweiz bald Vergangenheit.
Der Pfändertunnel bringt mich in gewohnte Gewässer, die deutsche Autobahn, die mich alsbald auch schon mit den ersten Regentropfen begrüßt.
Die Temperatur fällt schnell, Wolkenbänder zieren den abendlichen Himmel, also beschließe ich beim nächsten Tankstopp die Regenkombi überzuziehen und mir vielleicht Gedanken darüber zu machen, wo ich mir ein nettes Hotel suche.
Kurz vor Nürnberg also die Pause. Weder verspüre ich Müdigkeit, noch Hunger oder Durst. Ein Kaffee und ein Croissant werden bis zum Abendessen reichen müssen.

Weiter geht es auf der A9, vorbei an Nürnberg gen Norden.
Vollkommen ohne Zeitgefühl, einzig allein auf die nasse Straße konzentriert fahre ich roboterhaft, bemerke nur den stetig weniger werdenden Verkehr.
Der Himmel ist nun dunkel, schwere Regenwolken kündigen eine nasse Weiterfahrt an.
Am Wegrand, entlang der Autobahn sind vereinzelt graue Gestalten zu erkennen; Rehe, die sich im Schutze der Dunkelheit sicher fühlen.
Ich fühle mich wie auf einer Geister-Auto-Bahn.
Kilometerweit fahre ich alleine, kaum ein Auto, das auf der gegenüberliegenden Spur seine verschleierten Lichter zeigt.
Sehr selten ein polnischer LKW, der einsam wie ich seinen Weg nach Norden sucht.

Wie die Rehe mich wohl wahrnehmen?
Ein sich langsam nähernder grauer Schatten, der begleitet von einem sonor-monotonen Schall eine schwer rauschende Gischt hinter sich her zieht, um schon wenige Sekunden später als schwindender Punkt mit dem feuchten Nachthimmel zu verschmelzen.
Ein grün-grauer Schatten, der einem Kometen gleich, seine Bahn zieht, eingetaucht im Universum der Zeitlosigkeit, ziellos und dennoch beharrlich die Ferne sucht.
Sein wirkliches Ziel ist der Weg, ist die Reise, ist das Fremde, ist das Nichtankommen und dennoch wird er entlang seines Weges stets seine, ihm eigene Spur hinterlassen.
Eine Spur, die unverstanden bleiben wird.
Vielleicht ist er aber auch auf der Suche nach einem, „seinem“ Fixstern, der da draussen im dunklen, weiten Nichts auf ihn wartet; darauf wartet in ihn einzudringen, mit ihm zu einer Einheit zu verschmelzen, Eins zu sein.

Die Tankstopps kommen mir gelegen. Der Regen und die Kälte gleiten bis in die Glieder, die rechte Hand schmerzt. Die Regenhandschuhe sind glitschig, bieten keinen festen Halt auf dem Gasgriff, der von einer starken Hand umklammert und kontrolliert werden will. Längst ist vergessen, wann der letzte Gedanke an ein Hotel verschwendet wurde, was Hunger und Durst bedeuten. Und nun weiß ich auch, weshalb die Straßen leergefegt sind. Heute ist das Spiel Deutschland gegen Schweden.
Die Regenkombi flattert wie ein aufgescheuchter Vogel, Feuchtigkeit dringt ins Innere des Leders, erinnert daran, wachsam zu bleiben. Die Straße ist nass, das Licht der Limone blass, Regen klatscht gegen das Visier, will weggewischt werden.
Wir passieren die ehemalige deutsch-deutsche Grenze, jetzt sind es noch etwas mehr als drei Stunden, die wie in Zeitraffer, im Fluge vergehen, an die ich kaum noch eine Erinnerung habe.

Kurz vor Mitternacht empfängt uns die Autobahn-Ausfahrt, es regnet in Strömen, wir nähern uns dem nur noch 6 Kilometer entfernten, vermeintlichen Ziel.
300 Meter von der Haustür entfernt sehe ich, dass in meiner Stammkneipe noch Leute sitzen.
Mit Regenkombi und Helm betrete ich das Lokal, sehe wohl aus, wie ein frisch geduschtes Marsmännchen, hinterlasse erstmal eine Pfütze neben der Theke, nehme den Helm ab und schon steht die Bedienung vor mir:
„Wo kommst du denn jetzt noch her?“
-aus Italien
„Ja, ja, klar“…und grinst mich ungläubig an
„Biste weit gefahren?“
-Es werden wohl 1.100 Kilometer gewesen sein?
Sie schüttelt den Kopf, stellt mir mein Bier hin und dreht sich weg

Vladan

Re: Limone auf Reisen

Verfasst: Mi 1. Aug 2018, 13:44
von Hirschhäuser
Vladan - Respekt für die Nonstop 1100 km auf der Elfe
und toller Bericht - Dankeschön

Stephan

Re: Limone auf Reisen

Verfasst: Mi 1. Aug 2018, 19:38
von -Martin.Glaeser-
Ich schreibe nie wieder einen Reisebericht !

-M-

Re: Limone auf Reisen

Verfasst: Mi 1. Aug 2018, 19:42
von -Martin.Glaeser-
Ne... Quatsch! Keine Angst - die Martin'schen Guzzi Touren Berichte wird es weiterhin geben.
:-)

Aber Dir, lieber Vladan, sage ich DANKE für Deine Reiseberichte.

So authentisch, dass ich beim Lesen den Hibuskus-Duft an der Uferstrasse am Lago di Como riechen kann.
Und das glitschige Gefühl eines durchgeweichten Handschuhs nach einer langen Regen-Tour fühle während ich lese.

-M-

Re: Limone auf Reisen

Verfasst: Mi 1. Aug 2018, 20:16
von guzzipapa
Ein Bericht, der die Stimmung bei so einer Heimreise recht gut wieder gibt. Es ist wirklich so eine Art "Heimweh", wenn man sich von Italien aus auf den Heimweg machen muss.
Im übrigen beneide ich dich um den Regen. Wenn es den bei uns auch gäbe würde ich gerne den ganzen Tag mit dem Motorrad drin herumfahren.

Gottfried

Re: Limone auf Reisen

Verfasst: Mi 1. Aug 2018, 22:11
von V11
Hallo Vladan,
wieder hast du einen ganz tollen Reisebericht geschrieben :clap:
vielen Dank dafür, ich freue mich schon darauf, weitere Berichte von dir zu lesen.

Viele Grüße — Carlo